Glauben

Freudvoll und leidvoll

Gedanken zum Palmsonntag

„Freudvoll und leidvoll,
Gedankenvoll sein,
Langen und bangen
In schwebender Pein,
Himmelhoch jauchzend, zum Tode betrübt;
Glücklich allein ist die Seele, die liebt.“

Mit diesen wenigen Worten gelingt es Johann Wolfgang v.Goethe die ganze Bandbreite menschlicher Gefühle zum Ausdruck zu bringen. Für uns könnten sie auch gut über dem morgigen Sonntag und den kommenden Tagen stehen. Wie kaum eine andere Zeit im Jahr sind sie von sehr widersprüchlichen Gefühlen geprägt.

Die Geschichten der Karwoche erzählen von den letzten Tagen im Leben Jesu. Wie in einem Brennglas verdichtet sich dabei sein Leben. Hochtrabende Hoffnungen kommen in ihnen zum Ausdruck; Jubel und Begeisterung schlagen hoch; daneben ist Zeit für Ruhe und für das Erleben innigster Gemeinschaft.

Genauso aber tun sich in ihnen Abgründe von Spott, Verrat und Grausamkeit auf. Was auch immer in einem Menschenleben geschehen mag – in den Erzählungen der Karwoche erscheint all das wie in einem Spiegel.

„Freudvoll und leidvoll…“

Der Palmsonntag bildet dazu den Auftakt. Erinnern Sie sich an seine Geschichte?

Jesus zieht in Jerusalem ein – auf einem Esel. Die Hände, die dabei begeistert Palmzweige schwingen, werden sich in Kürze zu Fäusten ballen. Das triumphierende „Hosianna“ schlägt ins gellenden „Kreuzige ihn“ um und fröhliche Gesichter werden sich bald schon in drohende Fratzen verwandeln.

 „Himmelhoch jauchzend, zum Tode betrübt“

In diesem Jahr begehen wir die Woche zwischen Palmsonntag und Ostern unter ganz besonderen Umständen. Unser Leben ist geprägt von der Angst vor dem Coronavirus; vieles steht still im öffentlichen Leben; der gewohnte Umgang miteinander ist derzeit nicht möglich. Wir sorgen uns um die eigene Gesundheit sowie die der anderen Menschen. Trotz aller Vorsichtsmaßnahmen müssen wir Leid und Tod erleben.

Daneben steht aber auch ein hohes Maß an Mitgefühl und Hilfsbereitschaft; wir bekommen andere Menschen ganz neu in den Blick und haben Zeit für Dinge, die sonst oft zu kurz kommen. Eine große Vielfalt an Kreativität prägt unser Miteinander und bereichert es auf unerwartete Weise.

„Glücklich allein ist die Seele, die liebt.“

Das, liebe Leserin und lieber Leser, ist für uns der tröstende Grundton in den Höhen und Tiefen dieser Tage: Dass wir uns in all dem getragen wissen dürfen von der Liebe und Nähe Gottes.

In dem, was Gottes Sohn in seinen letzten Tagen durchmachen musste wird deutlich, dass keiner solche Situationen allein meistern muss. Wie Gott ihm nahe war, so ist er es auch uns: in den Augenblicken tiefster Niedergeschlagenheit aber auch in Momenten des höchsten Glücks. In Jesus steht Gott ganz an unserer Seite.

Die geistlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Gemeinden Grafing und Ebersberg, Glonn und Kirchseeon wollen Sie an dieser Stelle in den kommenden Tagen begleiten. Vielleicht sind wir Ihnen mit unseren Gedanken eine Hilfe den tiefen Reichtum der Karwoche für sich zu entdecken.

Herzlich grüßen Sie

Anja Sedlmeier, Pastorale Mitarbeiterin im Dekanat Ebersberg & Axel Kajnath, Evangelischer Pfarrer in Grafing

Den Segen Gottes in die Häuser bringen – Das Brauchtum der Palmbuschen

Am Palmsonntag feiern wir den Einzug Jesu in Jerusalem. Jesus ist ein ganz anderer König als viele erwarten.

Er reitet auf einer Eselin, nicht auf einem Pferd. Die Menschen stehen an der Straße und rufen ihm zu: Hosianna, Jesus soll unser König sein; sie winken dabei mit Palmwedeln, so die biblische Erzählung.

Daran erinnern die Palmbuschen, die am Palmsonntag in katholischen Kirchen gesegnet und dann in unseren Häusern, meist hinter dem Kreuz, aufgehängt werden.

In unserer Region binden Kinder und Jugendliche viele kleine Palmbuschen an ihre langen Stecken. Sie bringen alten Menschen, Nachbarinnen und Nachbarn Palmbuschen vorbei, damit der Segen Gottes auch bei ihnen einkehren möge. Das sogenannte „Palmtragen“ hat eine lange Tradition.

Wenn junge Menschen in diesen Zeiten Einkaufsdienste für Ältere und Kranke übernehmen, dann ist dies auch Segen bringend! Jung und Alt üben Solidarität und vergessen einander nicht. So kann Jesus ein König der Herzen sein, denn er denkt an die Armen und Schwachen, die Kranken und die am Rande der Gesellschaft und an uns alle, wenn wir in den Tiefen des Lebens stehen. Gerade in unserer jetzigen Gesellschaft gibt es viele Menschen, die die Krise für sich deuten wollen, Profit ziehen möchten und meinen, geistige Anführer werden zu können, sich zu Kriegsherren aufspielen. Vielleicht sind es auch Konsumgüter in unserer satten Gesellschaft, die die Königsherrschaft übernehmen wollen? Weil wir selbst auch manchmal im Laufe des Jahres vergessen, unser Leben an Jesus zu orientieren, werden die alten Palmbuschen immer am Aschermittwoch verbrannt und die daraus gewonnene Asche wird im Aschenkreuz aufgelegt. Die Fastenzeit als Vorbereitung auf Ostern lädt ein, immer wieder neu zu entdecken, wie Jesus der König unserer Herzen werden will und so die Liebe und Nähe Gottes spürbar wird.        (Anja Sedlmeier)

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