Glauben

Hart arbeiten und vertrauen

“Silvester?” – Die alte Dame, die ich in ihrem Zimmer im Pflegeheim besuche, schüttelt den Kopf. “Nein, Silvester habe ich noch nie groß gefeiert und jetzt sowieso nicht mehr. Da bin ich froh, wenn ich die Nacht durchschlafen kann. Feiert mal ihr jungen Leute!”, sagt sie lächelnd. Dann wird sie nachdenklich: “Aber wie es im neuen Jahr weitergeht, das beschäftigt mich schon. Nicht für mich – ich habe mein Leben gelebt, und ich bin zufrieden, solange ich morgens aufstehen kann.

Aber in der Welt gibt es so viele Probleme – da wird es mir manchmal angst und bange.
Naja, früher war´s auch nicht leicht: der Krieg, die Flucht, dann war mein Vater vermisst – und dazu der Hunger… Da wussten wir manchmal gar nicht, was der nächste Tag bringen würde.”
Das Gesicht der alten Dame ist ernst geworden, und sie blickt zu Boden. Dann hebt sie unvermittelt den Kopf: “Aber irgendwie haben wir es geschafft – und jetzt bin ich 93 und immer noch da. Wer hätte das gedacht?” – Jetzt lächelt sie wieder, und ich traue mich zu fragen: “Wie sind Sie denn durch die schwere Zeit gekommen?”

Da sieht sie mich mit großen Augen an: “Hart gearbeitet haben wir halt, damit es besser wird. Und im Glauben hab ich schon immer Halt gefunden. Da wusste ich ja: Ich bin nicht allein. Einer trägt alles mit.” Und sie zeigt auf das Kreuz, das über ihrem Bett hängt.

Nachdenklich und berührt gehe ich später aus dem Zimmer der alten Dame. Anpacken und an einer besseren Zukunft arbeiten – und dabei nicht von Angst getrieben, sondern von einem tiefen Gottvertrauen getragen sein, das wünsche ich mir, das wünsche ich uns für das neue Jahr und für ein ganzes Leben.

Ihre Pfarrerin Renate Zorn-Traving

image_pdfPDF erstellen
Click to listen highlighted text!