Glauben

Neue Wege entdecken

„Wann kommst du mich denn endlich mal wieder besuchen? Wir haben uns schon so lang nicht mehr gesehen.“ „Stimmt. Ich schau gleich mal in meinen Terminkalender… Oh, der ist schon ziemlich voll – in den nächsten Monaten bin ich leider schon verplant. Du weißt schon: dringende Projekte in der Arbeit, mein großer Urlaub in Tunesien, zwischendurch der 85. Geburtstag meiner Mutter, unser Konzert mit dem Chor und all die Sonderproben… Also, vor Januar wird es leider nichts mit einem Treffen.“ „Unglaublich, wie ausgebucht du bist! Da muss ich ja das nächste Mal ein Jahr vorher anfragen…“

Ein ganz normales Gespräch vor einem Jahr – ein Gespräch, in dem ich mich selbst wiedergefunden habe. Ich plane genauso weit voraus. Mein Terminkalender ist auch oft gut gefüllt. Und dann kam Corona. Plötzlich stand alles still. Alle Termine abgesagt oder ins Ungewisse verschoben. Hinter allen Plänen für die Zukunft steht ein dickes Fragezeichen. Wer weiß schon, was im nächsten Monat oder gar im neuen Jahr sein wird, was dann erlaubt und verboten sein wird? Auf einmal wird überdeutlich, was ja eigentlich immer gilt, was wir aber in unserer durchgetakteten Welt oft vergessen haben: Wir können viel planen und in unseren Terminkalender eintragen. Ob es dann wirklich so kommt, das liegt nicht in unserer Hand. „So Gott will und wir leben“ – diese etwas altertümlich klingenden Worte höre ich jetzt wieder öfter. Letztlich ist alles offen, und wir wissen nie, was morgen sein wird.

Anstrengend ist das und frustrierend, wenn ich etwas mit Liebe vorbereitet habe, wenn ich mich auf etwas gefreut habe und wenn es dann nicht stattfinden kann. Manchmal eröffnet es aber auch neue ungeahnte Möglichkeiten. Wir werden kreativ und entdecken Wege, wie wir trotzdem Schönes erleben und gestalten können – jenseits aller langen Planungen.

In unserer Kirchengemeinde habe ich in den letzten Monaten immer wieder gestaunt, wieviel Lebendigkeit da trotz aller Einschränkungen entstanden ist: Gottesdienste und Konzerte im Freien. Abendliche Posaunenklänge. Neue Kontakte, die durch Einkaufsdienste bei Senioren entstanden sind. Was kommen wird, wissen wir nicht. Alles steht unter Vorbehalt. Alle Pläne können über den Haufen geworfen werden – auch alle Veranstaltungen, die wir in diesem Gemeindebrief ankündigen. Auf eines aber dürfen wir vertrauen in all der Ungewissheit:

Es sollen wohl Berge weichen und Hügel hinfallen, aber meine Gnade wird nicht von dir weichen, spricht Gott. (Jesaja 54, 10)

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen gesegnete Herbsttage.

Ihre Pfarrerin Renate Zorn-Traving

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