Gedanken zum Osterfest von Dekan Josef Riedl und Pfarrer Edzard Everts.
Enttäuschung – Hoffnung
Resignation – Aufbruch
trauern – sich freuen
Zweifel – Zuversicht
verloren – geborgen
Tod – Leben
Zwei Protagonisten der Ostergeschichte des
Johannes-Evangeliums treffen sich heute, im Jahr 2020. Thomas hat oft den
Beinamen „der Ungläubige“, weil er den Berichten von der Auferstehung nicht
glauben konnte. Maria Magdalena ist die erste, der Jesus am Ostermorgen
begegnet. Beide haben ihre Erinnerungen an das, was damals geschah. Die eine
wie der andere kann erzählen vom Dunkel und vom Licht. Beide sind auf je eigene
Weise vom Osterwunder angerührt worden.
Thomas: Ostern, das ist der Sieg des Lebens über den
Tod. Das ist der Glaube der Christen. Hört sich einfach an. Für mich war es
damals überhaupt nicht einfach.
Maria: Ostern, Sieg des Lebens über den Tod. Sieg,
das hört sich nach gewonnener Schlacht an. Aber ich habe Ostern nicht als
Siegestaumel und Triumph erlebt. Mein Ostererlebnis begann mit Tränen.
Thomas: Ich konnte es nicht glauben. Der Schrecken
und die Verzweiflung steckten mir zu tief in den Gliedern. Für mich war eine
Welt zusammengebrochen. Die Nähe Gottes, die ich im Zusammensein mit Jesus
immer erleben konnte, war für mich nicht mehr spürbar. Unfassbares Leid war
diesem Menschen widerfahren. Menschenhand hatte mir meine kostbarste Beziehung
zerstört. Ich war gefangen in meiner Trauer.
Maria: Am Morgen stand ich vor dem Grab. Darin war
der Mensch begraben, der mich hatte lebendig werden lassen. In diesem Grab war
die Liebe verschlossen, die mich getragen hatte. Und mir flossen einfach nur
die Tränen. Das Leben, wie ich es kannte und wie es mir so wertvoll geworden
war, hatte scheinbar aufgehört zu existieren. Ich hatte Angst.
Thomas: Es war einfach zu viel. Ich fühlte mich allem
schutzlos ausgeliefert, den Gewalten der Natur, der Krankheit und dem Tod. Dazu
kamen dann noch die Geschehnisse des Karfreitag, Hass und Gewalt, so viel, was
das Leben bedroht. Jesus ist auferstanden, so hast Du es uns erzählt. In meinen
Ohren klang das wie verrücktes Geschwätz.
Maria: Ich hatte Jesus zunächst überhaupt nicht
erkannt. Erst als er mich mit meinem Namen ansprach, riss es mich aus meinem
Trauerkreisen. Und doch blieb da eine schmerzhafte Distanz zwischen ihm und
mir. Er sagte zu mir: „Rühr mich nicht an!“ Wo ich doch nichts sehnlichster
wünschte, als die Umarmung eines vertrauten Menschen, eine Berührung, die mich
hätte spüren lassen, dass ich bin und dass ich lebe. Mein Ostererlebnis war
unscheinbar und verhalten. Eher eine scheue Begegnung als ein großes Fest.
Thomas: Und eine solche Begegnung geschah für mich
dann ganz unerwartet: er kam noch einmal und ging direkt auf mich zu! „Thomas,
streck deine Hand aus . . .“ Es hat mich fast umgeworfen und dann überwältigt.
Trotz meiner Zweifel, meiner Unsicherheit, meinem Drang nach Gewissheit
– er ließ mich nicht los. Das Chaos, der Trümmerhaufen in meinem Innern
war ihm nicht egal. Ich hatte den Eindruck, es hat ihn fast magisch angezogen,
um mir wieder etwas Halt und Orientierung zu geben.
Maria: Er hat mich mit meinem Namen angesprochen –
das war für mich der Hammer! Da war plötzlich in aller Unsicherheit wieder eine
ganz tiefe Vertrautheit da. Was über Jahre an inniger Verbundenheit, an
(Herzens-)Freundschaft Schritt für Schritt gewachsen ist, war nicht weg,
sondern wieder da.
Thomas: Dann lag es an mir. Nach all der Ohnmacht
konnte, ja sollte und durfte ich wieder etwas tun: „Streck deine Hand aus und
ergreife mich“. Ich habe mich auf ihn eingelassen und konnte wieder Vertrauen
schöpfen.
Maria: Er hat wieder ausgegraben und geheilt, was
durch das Erleben seines herzzerreißenden Endes endgültig verschüttet und
zerbrochen war, spätestens, als ich unter seinem Kreuz am Boden lag. Da half
mir dann auch kein leeres Grab – das hat mich eher noch mehr verwirrt. Da
half mir auch nicht, dass er zu seinen Lebzeiten irgendwie von Auferstehung
geredet hat. Dass er trotz allem, was mit ihm geschehen ist, mich nicht aus den
Augen verloren hat, das ist das Wunderbare.
Thomas: Und ich bin mir seitdem ganz sicher (na ja:
fast immer): So wie ihm vorher chaotische Lebenssituationen nicht egal waren,
sondern ihn fast magisch angezogen haben, wenn er Kranke geheilt hat,
lebensbedrohliche Dämonen verbannt hat, Sündern ein Wort der Vergebung und
Befreiung geschenkt hat, Tote ins Leben gerufen hat, so ist ihm auch die
heutige Welt nicht egal. Aber er braucht Menschen wie dich und mich, die sich
auf ihn einlassen und seiner oft unsichtbaren Gegenwart ein Gesicht geben.
Maria: Und ich bin sicher: Ostern ist eigentlich ein im
Kern unbegreifliches Geschehen, damals wie heute. Und es ist bis heute immer
wieder etwas ganz Persönliches. Jesus spricht jede und jeden mit Namen an – und
wenn ich mich mit Glauben und Vertrauen auf ihn einlasse, kann immer wieder neu
österlicher Aufbruch geschehen.
Thomas: Spannend finde ich bei unseren Geschichten,
dass ich ihn berühren sollte und Du, Maria, ihn nicht berühren durftest. Warum
dieser Unterschied?
Maria: Vielleicht, weil Glaube jedem Menschen auf andere Weise zuwächst? Ich durfte lernen, dass er immer bei mir ist, auch wenn ich ihn nicht anfassen kann. Ich habe gelernt, dass Glauben, dass Beziehung eine Kraft des Herzens und des Gefühls ist.
Thomas: Dann habe ich gelernt, dass Glauben, dass Beziehung auch ohne Verstehen und Verstand eine handfeste Wirklichkeit ist, die Menschen stärkt und trägt.
Gedanken zum Osterfest von Dekan Josef Riedl und Pfarrer Edzard Everts.
Enttäuschung – Hoffnung
Resignation – Aufbruch
trauern – sich freuen
Zweifel – Zuversicht
verloren – geborgen
Tod – Leben
Zwei Protagonisten der Ostergeschichte des Johannes-Evangeliums treffen sich heute, im Jahr 2020. Thomas hat oft den Beinamen „der Ungläubige“, weil er den Berichten von der Auferstehung nicht glauben konnte. Maria Magdalena ist die erste, der Jesus am Ostermorgen begegnet. Beide haben ihre Erinnerungen an das, was damals geschah. Die eine wie der andere kann erzählen vom Dunkel und vom Licht. Beide sind auf je eigene Weise vom Osterwunder angerührt worden.
Thomas: Ostern, das ist der Sieg des Lebens über den Tod. Das ist der Glaube der Christen. Hört sich einfach an. Für mich war es damals überhaupt nicht einfach.
Maria: Ostern, Sieg des Lebens über den Tod. Sieg, das hört sich nach gewonnener Schlacht an. Aber ich habe Ostern nicht als Siegestaumel und Triumph erlebt. Mein Ostererlebnis begann mit Tränen.
Thomas: Ich konnte es nicht glauben. Der Schrecken und die Verzweiflung steckten mir zu tief in den Gliedern. Für mich war eine Welt zusammengebrochen. Die Nähe Gottes, die ich im Zusammensein mit Jesus immer erleben konnte, war für mich nicht mehr spürbar. Unfassbares Leid war diesem Menschen widerfahren. Menschenhand hatte mir meine kostbarste Beziehung zerstört. Ich war gefangen in meiner Trauer.
Maria: Am Morgen stand ich vor dem Grab. Darin war der Mensch begraben, der mich hatte lebendig werden lassen. In diesem Grab war die Liebe verschlossen, die mich getragen hatte. Und mir flossen einfach nur die Tränen. Das Leben, wie ich es kannte und wie es mir so wertvoll geworden war, hatte scheinbar aufgehört zu existieren. Ich hatte Angst.
Thomas: Es war einfach zu viel. Ich fühlte mich allem schutzlos ausgeliefert, den Gewalten der Natur, der Krankheit und dem Tod. Dazu kamen dann noch die Geschehnisse des Karfreitag, Hass und Gewalt, so viel, was das Leben bedroht. Jesus ist auferstanden, so hast Du es uns erzählt. In meinen Ohren klang das wie verrücktes Geschwätz.
Maria: Ich hatte Jesus zunächst überhaupt nicht erkannt. Erst als er mich mit meinem Namen ansprach, riss es mich aus meinem Trauerkreisen. Und doch blieb da eine schmerzhafte Distanz zwischen ihm und mir. Er sagte zu mir: „Rühr mich nicht an!“ Wo ich doch nichts sehnlichster wünschte, als die Umarmung eines vertrauten Menschen, eine Berührung, die mich hätte spüren lassen, dass ich bin und dass ich lebe. Mein Ostererlebnis war unscheinbar und verhalten. Eher eine scheue Begegnung als ein großes Fest.
Thomas: Und eine solche Begegnung geschah für mich dann ganz unerwartet: er kam noch einmal und ging direkt auf mich zu! „Thomas, streck deine Hand aus . . .“ Es hat mich fast umgeworfen und dann überwältigt. Trotz meiner Zweifel, meiner Unsicherheit, meinem Drang nach Gewissheit – er ließ mich nicht los. Das Chaos, der Trümmerhaufen in meinem Innern war ihm nicht egal. Ich hatte den Eindruck, es hat ihn fast magisch angezogen, um mir wieder etwas Halt und Orientierung zu geben.
Maria: Er hat mich mit meinem Namen angesprochen – das war für mich der Hammer! Da war plötzlich in aller Unsicherheit wieder eine ganz tiefe Vertrautheit da. Was über Jahre an inniger Verbundenheit, an (Herzens-)Freundschaft Schritt für Schritt gewachsen ist, war nicht weg, sondern wieder da.
Thomas: Dann lag es an mir. Nach all der Ohnmacht konnte, ja sollte und durfte ich wieder etwas tun: „Streck deine Hand aus und ergreife mich“. Ich habe mich auf ihn eingelassen und konnte wieder Vertrauen schöpfen.
Maria: Er hat wieder ausgegraben und geheilt, was durch das Erleben seines herzzerreißenden Endes endgültig verschüttet und zerbrochen war, spätestens, als ich unter seinem Kreuz am Boden lag. Da half mir dann auch kein leeres Grab – das hat mich eher noch mehr verwirrt. Da half mir auch nicht, dass er zu seinen Lebzeiten irgendwie von Auferstehung geredet hat. Dass er trotz allem, was mit ihm geschehen ist, mich nicht aus den Augen verloren hat, das ist das Wunderbare.
Thomas: Und ich bin mir seitdem ganz sicher (na ja: fast immer): So wie ihm vorher chaotische Lebenssituationen nicht egal waren, sondern ihn fast magisch angezogen haben, wenn er Kranke geheilt hat, lebensbedrohliche Dämonen verbannt hat, Sündern ein Wort der Vergebung und Befreiung geschenkt hat, Tote ins Leben gerufen hat, so ist ihm auch die heutige Welt nicht egal. Aber er braucht Menschen wie dich und mich, die sich auf ihn einlassen und seiner oft unsichtbaren Gegenwart ein Gesicht geben.
Maria: Und ich bin sicher: Ostern ist eigentlich ein im Kern unbegreifliches Geschehen, damals wie heute. Und es ist bis heute immer wieder etwas ganz Persönliches. Jesus spricht jede und jeden mit Namen an – und wenn ich mich mit Glauben und Vertrauen auf ihn einlasse, kann immer wieder neu österlicher Aufbruch geschehen.
Thomas: Spannend finde ich bei unseren Geschichten, dass ich ihn berühren sollte und Du, Maria, ihn nicht berühren durftest. Warum dieser Unterschied?
Maria: Vielleicht, weil Glaube jedem Menschen auf andere Weise zuwächst? Ich durfte lernen, dass er immer bei mir ist, auch wenn ich ihn nicht anfassen kann. Ich habe gelernt, dass Glauben, dass Beziehung eine Kraft des Herzens und des Gefühls ist.
Thomas: Dann habe ich gelernt, dass Glauben, dass Beziehung auch ohne Verstehen und Verstand eine handfeste Wirklichkeit ist, die Menschen stärkt und trägt.
(Nach dem Johannes-Evangelium, Kapitel 20, die Verse 11-18 und Verse 24-29)
Nachgedacht. Alle Beiträge des Ökumene-Projekts „Auf dem Weg zu Ostern“
Eine Kooperation mit der Ebersberger Zeitung / Merkur.
Gedanken zum Palmsonntag von Anja Sedlmeier und Axel Kajnath.
Gedanken zur Karwoche am Montag von Ghita Lenz-Lemberg.
Gedanken zur Karwoche am Dienstag von Claudia Steuerer-Wünsche.
Gedanken zur Karwoche am Mittwoch von Pater Georg.
Gedanken zum Gründonnerstag und Karfreitag von Renate Zorn-Traving und Anton Unden.
Gedanken zum Osterfest von Josef Riedl und Edzard Everts.